Eine ganz besondere Liaison

„Man kann den Musikern gar nicht genug danken“, sagt Petra Nicklas, Vorsitzende des Vereins Gemeinsam: Die Städtischen Orchester Kornwestheim tragen seit Jahrzehnten mit einer besonderen Aktion dazu bei, dass Familien mit behinderten Kindern aus dem ganzen Landkreis Entlastung erfahren.

Susanne Mathes, 6. November 2023, Ludwigsburger Kreiszeitung

Einfach mal ein paar Stunden sein Kind in guten Händen betreut wissen, um kurz aufzuatmen, um die Möglichkeit zum therapeutischen Reiten zu nutzen oder einen Ausflug zu machen, der nicht an Barrieren scheitert: Wer gesunde Kinder hat, kann sich kaum vorstellen, welche Entlastung Angebote wie diese bedeuten. Der Verein Gemeinsam für Menschen mit Körper und Mehrfachbehinderung im Kreis Ludwigsburg stellt solche Angebote auf die Beine. Dass er sie finanzieren kann, dazu trägt auch ein Engagement bei, das in seiner Kontinuität und Verlässlichkeit ziemlich einzigartig ist. „Wir sind super stolz und geflasht, dass sie uns über so lange Zeit die Treue gehalten haben“, sagt Gemeinsam- Vorsitzende Petra Nicklas dazu.

„Sie“, das sind die Städtischen Orchester Kornwestheim. Für deren Großes Blasorchester ist es seit Jahrzehnten gesetzt, dass es im November ein Benefizkonzert zugunsten von Gemeinsam organisiert und sich dazu ein namhaftes musikalisches Zugpferd an die Seite holt. Dieses Jahr gibt es das Wohltätigkeitskonzert schon zum 30. Mal. Mit von der Partie ist am 18. November das Landespolizeiorchester.

„Man kann den Musikern gar nicht genug danken“, kommentiert Petra Nicklas. Die 62-Jährige aus Tamm ist Mutter einer mehrfachbehinderten erwachsenen Tochter und Vorsitzende des Vereins, der Familien im ganzen Kreis unterstützt.

Sie weiß sehr genau, wie oft Eltern behinderter Kinder an ihre Grenzen kommen – oder Kräfte aufbringen, die eigentlich schon jenseits der Grenzen sind.

In seinen Stundenbetreuungen im häuslichen Umfeld oder Gruppen-Tagesbetreuungen hat der Verein immer mehr Kinder „mit sehr herausforderndem Verhalten, für die wir eine Eins-zu-eins-Betreuung brauchen“, erzählt Nicklas. Diese übernehmen Sonderschullehrer, Krankenschwestern, Erzieher, Physiotherapeuten oder anderweitig Fachkundige auf Honorarbasis —- Personal, das mit Hilfe von Spenden bezahlt werden kann, so dass die

Vereinsmitglieder die Betreuung vergleichsweise günstig bekommen.

Dass die Städtischen Orchester in all den Jahren von ihrer Unterstützung nicht abrückten, „wo es doch so viele Institutionen gibt, die auf Spenden angewiesen sind“, das sei großartig, erklärt Nicklas. Erst recht, da die Zahl an Vereinsmitgliedern zwar nicht abnehme, diejenige an reinen Fördermitgliedern aber schon. „Es kommen neue Familien dazu, die ganz einfach die Betreuung brauchen“, erzählt Nicklas, „aber keine, die den Verein einfach so finanziell unterstützen“.  Michael Meyle, Vorsitzender der Städtischen Orchester, sagt, es habe nie in Frage gestanden, dass man weiter zu Gemeinsam halte. „Die Stadt hat zwar mal den Vorstoß gemacht, ob wir nicht jedes zweite Jahr für ortsansässige Nutznießer spielen könnten. Aber für uns war klar: Wir bleiben bei Gemeinsam, auch wenn der Verein im ganzen Kreis agiert.“ Einerseits, weil man in all der Zeit zusammengewachsen und die Arbeit von Gemeinsam „komplett unterstützungswürdig sei. Andererseits, weil Gemeinsam seine Wurzeln ja in Kornwestheim habe, so Meyle. Walter Schöller, Kornwestheimer Kaufhausbesitzer, war Initiator und lange Vorsitzender der „Vereinigung von EItern

und Freunden spastisch gelähmter und anderer körperbehinderter Kinder“ — so hieß der Verein im Gründungsjahr 1967. In der Salamanderstadt war der Verein daher besonders fest verankert – die Weihnachtsfeiern fanden im Saal der katholischen St.-Martinus-Kirche statt, die Sängerlust lud die Familien zu ihren Konzerten ein, der Kocher- und Jagsttalverein spendete jährlich. Und mit den Städtischen Orchestern, deren Vorsitzender damals

der heutige Landrat Dietmar Allgaier war, mit dem OB Ernst Fischer, dem damaligen Kulturamtsleiter Peter Keim und

der bei den US-Streitkräften in Stuttgart beschäftigten Erika Alber wurde dann das Wohltätigkeitskonzert aus der Taufe gehoben. Lange Jahre spielten wegen Albers guter Kontakte die US-Army-Band oder die US-Army-Big-Band Europe bei den Wohltätigkeitskonzerten mit. „Für uns war es von Anfang an toll und ein Ansporn, mit solchen Partnern spielen zu können, wir sind schließlich alle Hobby- Musiker“, erzählt Michael Meyle, der mit seinen 50 Jahren alle Benefizkonzerte für Gemeinsam miitgespielt hat. Es sei ein anderes, etwas klassischer, festlicher angehauchtes Programm als etwa beim Jahreskonzert oder Auftritten bei Festen – und es komme auch ein anderes Publikum.

Außer den US-Musikern spielten beispielsweise schon das Luftwaffenmusikkorps 2 der Bundeswehr, die Bosch Big Band oder die Crazy Dices Big Band mit Cherry Gehring mit. Und als das damalige Kulturhaus seine Asbest-Havarie erlebte und es Jahre dauerte, bis Das K als Nachfolge- Aufführungsort stand, wich das Wohltätigkeitskonzert kurzerhand auf die Ludwigsburger Waldorfschule oder den Louis-Bührer-Saal der Kreissparkasse aus.

Mehr als 100 000 Euro haben die Musikerinnen und Musiker im Laufe der Jahre für Gemeinsam erspielt. „Sie sind einfach fantastisch“, findet Petra Nicklas. „Es tut gut, wenn einem so ein wunderbares Engagement den Rücken stärkt.“